Sonntag, 15. April 2012

Auf Eis gelegt

EKVO (vorerst) ausgesetzt

Erwartungsgemäß hat die hessische Landesregierung in Wiesbaden reagiert und die vorübergehende Aussetzung der bundesweit stark umstrittenen, nach der Eigenkontrollverordnung (EKVO) vorgesehenen Dichtigkeitskontrollen aller privaten Hausanschlüsse ans öffentliche Abwasserkanalsystem beschlossen. Dies gab die amtierende Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) am 23. März in einer offiziellen Pressemitteilung bekannt.  Zuvor hatte schon der Interessenverband der Kommunen, der Hessische Städte- und Gemeindebund e. V., eindringlich ein solches Vorgehen mit Hinweis auf enorme finanzielle Belastungen auf Seiten unzähliger zahlungspflichtiger Grundstückseigentümer gefordert. Darüber hinaus lasse schon die damit verbundene unvermeidbare zusätzliche Bürokratie und ihre Auswirkungen bei den örtlichen Entscheidungsträgern erkennbare Zweifel am Nutzen derartiger Vorhaben aufkommen.

Der mehrfach öffentlich ausgetragene Unmut unter den Betroffenen der einheimischen Bevölkerung und die unentwegten Aktivitäten zahlreicher Bürgerinitiativen blieben wohl nach Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auch bei den politisch Verantwortlichen im Bundesland Hessen nicht ohne spürbare Wirkung. Besonders die Aufsehen erregenden Ereignisse in NRW, wo Umweltminister Johannes Remmel seinen Gesetzentwurf notgedrungen auf peinlicher Art und Weise zurücknehmen musste, um ihn Anfang dieses Jahres in nachgebesserter Form vorzulegen, zeugen vom hartnäckigen Widerstand unzähliger, mit den Entscheidungen ihrer Volksvertreter alles andere als zufriedener Bürgerinnen und Bürger.

Unsicherheit unter den derzeit Regierenden, was die Akzeptanz im eigenen Lande betrifft, anscheinend auch in der Landeshauptstadt Wiesbaden. Ziel sei es, so die Unions-Politikerin Puttrich, die bisher ausgearbeiteten gültigen Kriterien noch einmal gründlich zu überdenken und dabei bisher geforderte Standards abzumildern. Die Eigenkontrollverordnung (EKVO) soll dafür sorgen, dass die eigentliche Pflicht der Hauseigentümer, die Zuleitungskanäle auf ihren Grundstücken zu überwachen, von den zuständigen Kommunen oder den von ihnen beauftragten Verbänden durchgeführt wird. Ob nach einer evtl. Neuregelung die privaten Anschlüsse an die jeweiligen  Abwasserhauptleitungen in gleicher Weise wie die öffentlichen Netze behandelt werden, ließ die Ministerin allerdings offen. Hier liegt offensichtlich noch keine endgültige Entscheidung vor.

Für einige Städte und Gemeinden sowie deren Bürger, die bereits Zahlungen in vierstelliger Höhe für die geforderten Kontrollen und anschließend notwendige Reparaturarbeiten geleistet haben, kommt das plötzliche Rückrudern zu spät. Hier hat man bereits jetzt schon mehr Geld ausgeben als es im Nachhinein vielleicht nötig war. Umfang und Kosten der Sanierungen könnten jedenfalls zukünftig geringer ausfallen.

Dass überall dort, wo dringend Sanierungsbedarf besteht, umgehend gehandelt werden muss, darüber besteht allgemein kein Zweifel. Aber es ist auch im Sinne derer, die die Kosten dafür zu tragen haben, ein vernünftiges und zufrieden stellendes Konzept zu erstellen, das dem Zahlungspflichtigen über die nächsten Jahre hinaus eine allseits umfassende Planungs- und Finanzierungssicherheit ermöglicht. Selbst mit Rücksicht auf den Umweltschutz haben Eigenheimbesitzer ein Anrecht darauf, dass Aufwand und Ertrag in einem wirtschaftlich vertretbaren und jederzeit nachvollziehbaren Verhältnis stehen.

Schon länger warnen Kommunalvertreter und Sprecher aus den Reihen einzelner Bürgerbewegungen vor den Auftritten dubioser Firmen, so genannten Kanalhaien. Diese scheuen sich nicht, die durch das politische Hickhack verursachte vermeidbare Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung zum eigenen Vorteil auszunutzen und des angeblichen Zeitdrucks wegen überhöhte und somit unseriöse Angebote anzubieten. Empfohlen wird in jedem Falle, Ruhe zu bewahren und sich im Vorfeld umfassend zu informieren, um so übereilten und unüberlegten Entscheidungen im eigenen Interesse zuvorzukommen. Sicher sei, wie die Landtagsabgeordnete Brigitte Hofmeyer unlängst in einer Pressemeldung zitiert wurde, dass zzt. weder EU- noch Bundesgesetzgebung Zwangsuntersuchungen vorschreiben würden. Lediglich vier Bundesländer, darunter auch Hessen, hätten per Verordnung die Maßnahme zeitlich festgelegt.

"Ein überaus wichtiger Erfolg für uns und alle weiteren hessischen Bürgerverbände, deren unermüdlicher Druck bei den Kommunen angekommen ist. So kamen auch die davon betroffenen Städte und Gemeinden nicht drum herum, auf die Linie der Verbraucher einzuschwenken", kommentiert Bernd Zuschlag, Vorsitzender der Interessenvertretung Klärwerk e.V. aus Borken (Hessen), die freudige Nachricht mit äußerster Genugtuung.

IVK-Vors. Bernd Zuschlag
„Eine generelle Abschaffung der Kanalprüfung ist wohl aus vielerlei Gründen nicht drin“, ergänzt das Vereinsoberhaupt. „Was wir allerdings anstreben und erwarten, ist eine deutlich erkennbare bürger- und kommunalfreundlich ausgearbeitete Lösung!“ Nordhessens wohl größte Bürgerinitiative ist weiter bemüht, die Öffentlichkeit in Borken (Hessen) und Umgebung auf dem Laufenden zu halten, sammelt und sichtet nach wie vor aussagefähiges und geeignetes Informationsmaterial zum brisanten Thema. Darüber hinaus wird zum geeigneten Zeitpunkt ein umfangreicher öffentlicher Informationsabend folgen, dessen Termin rechtzeitig über das örtliche Pressewesen bekannt gegeben wird (hpd).

Borken (Hessen), 10.04.2011

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