Freitag, 7. September 2012

Entmündigung durch Gesetzgeber?


Haushaltsabgabe ersetzt GEZ

Einige Bürgerinnen und Bürger von Borken werden zu Beginn des nächsten Jahres ungewollt erneut zur Kasse gebeten! Mit Schleswig-Holstein hat Medienberichten zufolge auch das letzte Bundesland der geforderten Reform der GEZ-Gebühren zugestimmt. In seltener Eintracht machten damit die Landesparlamente den Weg frei, um ab 2013 alle deutschen Privathaushalte und Betriebe einer pauschalen Haushalts-(zwangs-)abgabe für den Empfang öffentlich rechtlicher Fernseh- und Radioprogramme zu unterziehen. Allein das Vorhandensein einer Wohnung reicht aus, unabhängig davon, ob man dort am Empfang derartiger Leistungen interessiert ist und dafür Strom und Empfangsgeräte bereit stehen. Bürger mit geringem Einkommen, Auszubildende und Studierende haben bei Vorlage bestimmter Voraussetzungen die Möglichkeit, sich per Antrag befreien zu lassen, bisher beitragsfreie behinderte Personen sind seit 2012 zahlungspflichtig und erhalten Nachlass, was auch für Zweit- oder Ferienwohnungen vorgesehen ist und für Unternehmen, die nach gestaffelter Größe erfasst werden sollen. Auch Heiminsassen will man künftig zur Kasse bitten, hingegen rechtskräftig Verurteilte in Strafvollzugsanstalten nicht, befreit sind auch ausländische Diplomaten und die Rundfunkanstalten selbst. Eine eigenartige Auslegung des Gerechtigkeitsprinzips.

Gewinner und Verlierer

Zukünftig Zwangsmitgliedschaft?
Für die meisten Bundesbürger wird sich dadurch nichts ändern, sofern sie schon heute 17,98 € pro Monat Beitrag leisten. Profitieren sollen hingegen Mitglieder von Wohngemeinschaften, Familienangehörige usw. Die Pauschale decke dann alle vorhandenen Empfänger wie Fernseher, (Auto-)Radios und sogenannte "neuartige Rundfunk-Empfangsgeräte" wie PCs, Laptops und internetfähige Mobiltelefone (Smartphones) ab, wie den Pressemeldungen zu entnehmen ist.

Die Fortführung des jetzigen Modells bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen hatte wohl die millionenverwöhnten und finanziell stets klammen TV-Anstalten aufgeschreckt und politische Rückendeckung erforderlich gemacht. Immer mehr Verbraucher, argumentieren Befürworter der äußerst umstrittenen festgelegten Neugestaltung, greifen zum internetfähigen Computer und zahlen dafür zzt. nur den ermäßigten Satz von 5,76 Euro. „Mit dieser Reform verhindern wir, dass immer weniger Vollzahler zukünftig noch höher belastet werden!“. Ob das alles so zum Tragen kommt, bleibt abzuwarten: Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes soll die Anzahl von Single-Haushalten in den nächsten Jahren noch zunehmen und auch die Einbeziehung der Unternehmen, von denen zzt. nur 40% der Gebührenpflicht nachkämen, nährt die Hoffnung bei ARD und ZDF nach weiteren sicheren Millionen in den TV-Kassen.

Rechtlich äußerst umstritten

Als unzulässigen Eingriff in das Grundrecht weist schon seit längerem Pressemeldungen zufolge Kritiker wie der frühere Hamburger Wissenschaftssenator Ingo von Münch das Ansinnen vehement zurück. Hier handele es sich offensichtlich darum, die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch staatlich verordneten Druck einzuschränken. Vorbei das alleinige Entscheidungsrecht des mündigen Bürgers, selbständig zu entscheiden, ob er am Medium Fernsehen und Rundfunk teilnimmt oder nicht. „Es bleiben wohl nur noch die Alternativen Obdachlosigkeit oder Auswanderung übrig“, wie es Spötter umschreiben. „Wer keinen Fußball mag, kann doch nicht gezwungen werden, die Bundesliga mitzufinanzieren!“ Mit der erneuten Änderung des Staatsvertrages befürchten nicht nur mit der Materie vertraute Experten, dass so dem Datenmissbrauch Tür und Tor offen stehen, Behörden erhalten Zugriff auf Bestände von Einwohnermeldeämtern, Vermieter und Verpächter laufen zudem Gefahr, in die Ermittlungen mit einbezogen zu werden. Eigentümer oder vergleichbare Berechtigte sollen im Bedarfsfall auskunftspflichtig werden, um der Landesrundfunkanstalt gegenüber Rede und Antwort über den Nutzer einer Wohnung oder Betriebsstätte zu stehen, falls dieses nicht von öffentlicher Hand selbst möglich ist. „Es gibt nicht wenige Menschen, die zwar gern Radio hören, aber etwa wegen kleiner Kinder oder aus religiösen und sonstigen Gründen Fernsehen ablehnen. Die politischen Entscheidungsträger haben die Aufgabe, gemäß den Verfassungen ihrer Länder als Vertreter des ganzen Volkes zur wirken, nicht aber im Interesse der Rundfunkanstalten!", bemängelt der emeritierte Professor für öffentliches Recht an der Universität Hamburg, Ingo von Münch, die Zustände in einem Zeitungsartikel.

Und die bisher lästige „Schnüffel-Praxis“ diverser GEZ-Mitarbeiter? Sie werden wohl auch noch in Zukunft „wachsam“ bleiben, sei es auch nur zur Kontrolle der Namen auf den einzelnen Haustürklingeln. Für die nächsten zwei Jahre will ihr Auftraggeber ohnehin noch Personal aufstocken, wegen des Mehraufwandes der Arbeit durch die Umstellung auf das neue System. Beglichen wird das alles durch die politisch durchgesetzten Zwangsbeiträge, die letzten Endes der Verbraucher und Konsument allein zu tragen hat, und zwar in doppelter Hinsicht. Die ebenfalls der Beitragspflicht unterworfenen Unternehmen werden ihren Anteil natürlich weitergeben, was dann wiederum zur Verteuerung ihrer Produkte führt. Einer erstellten Studie zufolge wird damit jeder Bundesbürger durchschnittlich mit 110,00 € belastet.

Gerichtliche Auseinandersetzungen folgen

Kompetente Staats- und Verfassungsrechtler hielten das neue Modell von Anfang an als nicht haltbar und somit juristisch angreifbar. „Es wird wohl beim neuen Modell so sein wie beim alten: Klagen werden folgen und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird dann entscheiden müssen“. Damit beginnen wird in Kürze der Passauer Jurist Ermano Geuer mit einer Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München, weitere Prozesse werden folgen. Ein Urteil zu Gunsten der Kläger könnte dann das mühsam ausgehandelte Vertragswerk aller 16 Bundesländer wieder zu Fall bringen. Aber erst im nächsten Jahr.

„Die Interessenvertretung Klärwerk e. V. wird die Ereignisse weiter verfolgen, in gewohnter Art und Weise aussagefähiges Material sammeln, es auswerten und die Bevölkerung möglichst aktuell auf dem Laufenden halten“, versichern Sprecher der Bürgerinitiative schon heute (hpd)

Borken (Hessen), 07.09.2012

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