Über 800 km lang soll sie werden, die geplante gewaltige Stromtrasse "Südlink" aus dem hohen Norden, beginnend in Wilster (Schleswig-Holstein) über Hannover (Niedersachsen), Warburg (NRW) und Kassel, mündend im nordbayerischen Grafenrheinfeld. Sie soll Hessen von Volkmarsen über Wolfhagen, Fritzlar, Borken (Hessen), Homberg (Efze) in Richtung Bad Hersfeld und Fulda durchziehen. Ein zweiter Abschnitt ist Presseberichten zufolge von Brunsbüttel (S.-Holstein) nach Großgartach in Baden-Württemberg vorgesehen. "Hauptschlagader und Rückgrat der Energiewende", schwärmen Befürworter. Bis 2016 soll begonnen werden, 2022 der Abschluss sein. "Eine elektrische Autobahn ohne Abfahrten". Eine als Gleichstromverbindung geplante Trasse , eine von drei großen Neubauprojekten, insgesamt 2800 Kilometer Länge. Der Verlauf sei erst einmal ein Vorschlag, versichern beruhigend offizielle Quellen. Die endgültige Entscheidung werde ohnehin erst nach erfolgten regen und wohl emotional geführten Diskussionen mit betroffenen Bürgern und zahlreichen Interessenverbänden vorliegen.
Bald 70 Meter hohe stählerne Kollosse? |
Pressemeldungen zufolge habe es ein Projekt dieser Größenordnung auf dem Gebiet des Stromleitungsbaus in Deutschland noch nicht gegeben. Ziel sei es, dass im Zuge der angestrebten Energiewende ein solches Bauwerk alle dann abgeschalteten Atomkraftwerke ersetzt. Besonders wichtig für den süddeutschen Raum und seine bislang noch bis zu 60-Prozentigen Abhängigkeit vom Atomstrom. Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg können ihren immensen Bedarf aus eigenen Windkraftwerken offensichtlich allein nicht decken. Sie sind daher zusätzlich auf externe Versorgungsmöglichkeiten angewiesen. Die Lösung des Problems soll dann in Form der neuen Trasse vorliegen, um so dringend benötigte Energie von Küste und See aus dem wind- und sturmreichen Norden importieren zu können.
Weithin sichtbare stählerne
Monster, riesige Strommasten bis zu 70 Meter Höhe und mehr (um dann Bäche und Flüsse
zu überspannen) werden die Folge sein, unvermeidbare Eingriffe in Natur und Landschaften
inbegriffen. Wegen der Übertragung von 380 Kilovolt (380.000 Volt!) Spannung
müssen Sicherheitsabstände zu Bäumen, landwirtschaftlichen Maschinen usw. berücksichtigt
und eingehalten werden. Größtmöglicher Abstand zu Wohngebieten ist oberste
Pflicht, versichert Betreiber Tennet. Darunter zählen Einzelgehöfte, Dörfer und
Städte, besonders Krankenhäuser, Schulgebäude, Naturschutzgebiete und
Industrieflächen.
Ober- oder unterirdisch?
Grundsätzlich sollen die
Trassen "der Flexibilität wegen" oberirdisch geführt werden. Für unterirdische
Alternativen lägen derzeit noch keine befriedigenden Erfahrungswerte vor, so der
Betreiber. Lediglich in Berlin befände sich eine (überaus kostspielige) Kilometer
lange 380-KV-Hochspannungsleitung unter der Erde. Oberirdisch könnten bereits
vorhandene Anlagen in die weitere Nutzung mit einbezogen werden, unterirdische Verlegung
sei nur in Ausnahmefällen, z. B. in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten, vorgesehen.
Außerdem sprächen
Kostengründe sowie physikalische Grundsätze gegen eine Verlegung in der Erde.
Die notwendigen Arbeiten kämen Großbaustellen wie beim Straßenbau gleich, kostenintensive
technische Sicherheitseinrichtungen für den Fall elektrischer Kurzschlüsse oder
Blitzeinschlägen müssten installiert werden, darüber hinaus drohe das
elektromagnetische Feld unter der Erde zum Problem zu werden. Bedingt durch die
Erwärmung des Bodens befürchten nicht nur Forst- und Landwirte langfristige
ökologische Folgen. Die Kosten der Erdverkabelung belaufen sich Experten
zufolge auf das achtfache des herkömmlichen (oberirdischen) Verfahrens.
Wie zu erwarten, formiert
sich offener Widerstand in allen betroffenen Regionen entlang der
beabsichtigten Strecke. Bürgerverbände schießen wie Pilze aus dem Boden,
aufgeschreckte Anwohner machen ihrem Unmut Luft. Kommunale Behördenleiter
kritisieren unbefriedigende und verspätete Informationen,
Fremdenverkehrsvereine fürchten spürbar langfristige Umsatzeinbrüche durch das
Ausbleiben von Touristen durch Eingriffe in bisher unberührte Freizeit- und
Naturlandschaften. Umweltverbände streiten bereits seit langem für den Erhalt
von Natur- und Tierschutz. Die 450 Kilometer lange
"Gleichstromtrasse-Süd-Ost" fördere ohnehin nicht die erhoffte
Energiewende, sondern vor allem den weiteren Betrieb klimaschädlicher
Kohlekraftwerke, vermutet der BUND in einem Artikel. Auch im beschaulichen
Nordhessen wird es immer unruhiger. In Fritzlar, Homberg (Efze) und Wolfhagen macht
sich unüberhörbar Unmut breit. Dort sind bereits Bürgerinitiativen gegründet
worden, die pressewirksam auf ihre Verärgerung aufmerksam machen. Sie beklagen
fehlende Unterstützung, unnachvollziehbare oder unzureichende Informationspolitik
und warnen vor den Risiken gesundheitlicher (Folge-)Schäden.
Wirklich alles im Griff?
Man könne in Borken (Hessen)
mit der Thematik umgehen, mit Strom kenne man sich aus, ließ das Stadtoberhaupt
vor Wochen den Sender
RTL-Fernsehen in einem kurzen
Filmbeitrag wissen. Hierzulande gebe es keine Befürchtungen, zumal der Strom
Stadt und Bevölkerung Wohlstand gebracht habe. Man sehe den Vorgang als Beitrag
zur längst notwendigen Energiewende. Ob er damit nicht voreilig die
"Rechnung ohne den Wirt" gemacht hat? Zumindest befürwortete der
Rathauschef die Notwendigkeit, die in den Prozess einbezogene Bürgerschaft
umfassend zu informieren und in das Planungsverfahren transparent einzubeziehen.
Aussichten vor Ort
„Wir haben vorgeschlagen,
zusammen mit unseren Nachbarkommunen im Gespräch mit dem Betreiber Tennet
Alternativmöglichkeiten zur derzeit geplanten Streckenführung auszuloten“,
erläutert Marcel Pritsch-Rehm, Borkener
Kommunalpolitiker und Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative
Interessenvertretung Klärwerk e. V. „Unter anderem dürfte schon die Nähe zum
Bundeswehrflugplatz in Fritzlar kaum dafür sprechen, ein solches Vorhaben hier
durchzuführen. Das kennen wir aus vorausgegangenen Planungen für
Windkraftanlagen.“
Was kostet es, wer zahlt die Zeche?
Die Investitionskosten für
den Bau des gewaltigen Netzes werden für die nächsten Jahre auf 20 Millionen
Euro geschätzt, die Gesamtkosten beziffern Insider mit 40 Milliarden Euro,
verlauten Pressemeldungen. Bezahlen wird letzten Endes, wie so oft, das
schwächste Glied der Kette, der (End-)Verbraucher, den man über die Stromrechnung
zur Kasse bitten wird (hpd).
Borken (Hessen), 18.05.2014
Borken (Hessen), 18.05.2014
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