Donnerstag, 8. Dezember 2011

Verordnete Kanalprüfung

Ökologische Notwendigkeit oder milliardenschweres Geschäft?

Müssen in den nächsten Jahren die Hauseigentümer in Borken (Hessen) und Umgebung erneut mit enormen kommunalen Zahlungsverpflichtungen rechnen? In den Bundesländern Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen brodelt der Volkszorn auf Hochtouren, laufen Bürger Sturm gegen die staatlich verordnete so genannte Dichtigkeitsprüfung. Sie werden dabei unterstützt von einigen ortsansässigen Bürgermeistern und Landräten. Neu gegründete Bürgerinitiativen schießen wie Pilze aus dem Boden. An der Küste hat die dortige Landesregierung bereits unter dem Eindruck von tausendfachem Protest ernüchternd eingelenkt, NRW bleibt bislang stur. Kenner befürchten eine schmerzhaft spürbare Kostenlawine, die auf Millionen von Menschen zukommen wird.

In Hessen ist seit dem 01. August die EKVO, wie die Abwassereigen-kontrollverordnung abgekürzt wird, in Kraft getreten. Sie ersetzt eine bisher bundesweit gültige Regel und soll die Überprüfung und ggf. Sanierung schadhafter privater und kommunaler Zuleitungsrohre an öffentliche Abwasserkanalsysteme sicherstellen. Beginn des 1. Prüfungs-Intervalls ist der 01. Januar 2010. Vorgesehen sind Wiederholungen nach 15 Jahren für den öffentlichen Kanalbereich, bei den Zuleitungsrohren, zumeist unter den Flächen der Privatgrundstücke gelegen, solle das alle 30 Jahre passieren. Ausgenommen sind neue und sanierte Kanalisationen ab dem Baujahr 01.01.1996. Ihre Funktionstüchtigkeit wird daher erst ab 2025 bzw. 2040 einer ersten Revision unterzogen

Pressemeldungen der Fritzlar-Homberger Zeitung (HNA) zufolge trafen Bürgermeister des Schwalm-Eder-Kreises bereits im Gudensberger Rathaus zusammen, um unter anderem die Vorgehensweise der kommenden Untersuchungen ihrer innerörtlichen Kanalisationen untereinander abzustimmen, was auf eine Planung für die baldige Umsetzung auch in unserer Region schließen lässt.

„Das wohl größte Beschäftigungspaket der Nachkriegsgeschichte im Interesse zahlreich vorhandener Wirtschaftslobbyisten“, kritisierten Sprecher der Bürgerinitiative gegen Kanalprüfpflicht im WDR-Magazin WESTPOL die äußerst umstrittenen Vorhaben. Auch die ARD-Sendung PLUSMINUS, der ZDF-Länderspiegel und das Wissens-Magazin PLENATOPIA (Sat 1) befassten sich unlängst mit der aktuellen brisanten Thematik. Mit einer Gesamtsumme von bis zu 30 Milliarden Euro beziffern Experten die Kosten für die Kanalsysteme im gesamten Bundesgebiet. So ist ein jeder angeschlossene Grundstücks- und Hauseigentümer der Zwangsmaßnahme unterworfen und muss das Ergebnis anerkennen und nachweisen. Im schlimmsten Falle sind Reparaturarbeiten unvermeidbar und können den Betroffenen - je nach Länge seiner Zuleitung zum öffentlichen Kanal -  einige tausend Euro kosten. Das ist zzt. von Bundesland zu Bundesland verschieden. Ein bizarres Beispiel aus der „geteilten“ Stadt Bruchmühlen: Der zu Nordrhein-Westfalen gehörende Teil muss zahlen, der andere, in Niedersachsen gelegen, bleibt (vorerst) noch verschont, obwohl das Abwasser beider Stadtteile durch die gleichen kommunalen Abwasserrohre fließt und in die gemeinsame Kläranlage mündet.

Und der vermeintliche Übeltäter EU? „Die Dichtigkeitsprüfung ist Vorschrift, das will die Europäische Union“, ließ ein namhaftes NRW-Presseorgan seine Leser unter Berufung auf eigene Informationsquellen Dezember 2010 wissen. Die von engagierten Bürgern eingeschaltete Europäische Kommission, Direktion Umwelt,  jedoch widersprach schriftlich. Hierbei handele es sich lediglich um eine allgemeine Richtlinie zur Behandlung von kommunalem Abwasser, die Dichtigkeitsprüfung privater Abwasserrohre sei jedenfalls nicht vorgeschrieben! Mitgliederstaaten dürften allerdings über diese Richtlinien hinaus strengere Normen vorgeben, lautete die eindeutige Antwort aus Brüssel. Zum gleichen Ergebnis gelangt auch das Mitglied des EU-Parlaments, Jutta Haug. Da es in Deutschland auch keine einheitliche Regelung gäbe, läge die Umsetzung in die Praxis allein in der Hand der jeweiligen Bundesländer, so die Abgeordnete. Dies nährt den Verdacht nach einem deutschen Alleingang.


IVK-Vorsitzender Bernd Zuschlag
  „Wenn die Ereignisse in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auch in Hessen Schule machen, sind unsere leidvollen Erfahrungen mit dem Schaffensbeitrag für die beiden Kläranlagen ein Klacks gegen das, was uns dann auch in Borken (Hessen) noch bevorsteht“, warnt der Vorsitzende der Interessenvertretung Klärwerk e. V., Bernd Zuschlag, schon heute. Marcel Pritsch-Rehm  Kommunalpolitiker und Mitglied des Vereinsvorstandes: „Die Dichtigkeitsprüfung für private Abwasserleitungen ist erstmals bis zum 31.12.2024 zu erledigen. Jedoch können Kommunen kürzere Staffelfristen festlegen, um private und öffentliche Prüfungen zu synchronisieren. Ich hoffe, dass man im Sinne der Bürger diese Möglichkeiten auch ausnutzt.“

Marcel Pritsch-Rehm
Derzeit sind Verantwortliche der nordhessischen Bürgerinitiative unentwegt damit beschäftigt, genügend aktuelles Informationsmaterial zum brisanten Thema zusammenzutragen und auszuwerten. Danach ist für Anfang nächsten Jahres eine Informationsveranstaltung geplant, zu der alle interessierten Bürgerinnen und Bürger der Stadt Borken (Hessen) und Umgebung eingeladen werden.

Ein Termin folgt rechtzeitig und wird über die örtliche Presse veröffentlicht (hpd).

Borken (Hessen), 07.12.2011

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